legal Nutshell #14
Der Entscheidung 9 Ob 99/22g vom 24.11.2022 liegt ein Sachverhalt zu Grunde, in welchem der Kläger eine Sektflasche so heftig gegen den Garagenboden oder einen anderen Gegenstand stieß, dass es zu einem explosionsartigen Zerbersten kam. Dabei erlitt der Kläger durch die weggeschleuderten Splitter bzw Scherben Schnittwunden am Körper. Der Kläger begehrte anschließend Schmerzengeld wegen eines Produktfehlers.
Der OGH verneinte jedoch aus den nachfolgenden Gründen eine Haftung des Herstellers nach dem Produkthaftungsgesetz:
Die Fehlerfreiheit eines Produkts wird zunächst durch die normgerechte und technischen Sicherheitsstandards entsprechende Herstellung indiziert, welche im vorliegenden Fall gegeben war.
Für die Beurteilung der Fehlerhaftigkeit eines Produkts ist weiters auf alle Gebrauchsmöglichkeiten abzustellen, die bei objektiver Betrachtung aus der Perspektive des Herstellers als denkmöglich in Betracht kommen. Nach Ansicht des OGH entsprach die Flasche den berechtigten Sicherheitserwartungen eines idealtypischen durchschnittlichen Produktbenützers, wonach eine Sektflasche, die lediglich am Boden abgestellt wird oder mit der im Zuge eines üblichen Abstellvorgangs an einer Tischkante angestoßen wird, nicht birst und Personen dadurch nicht verletzt werden.
Im Gegensatz dazu, stellt ein – wie im gegenständlichen Fall – mit unüblich hoher Krafteinwirkung ausgeführter Stoß mit der Flasche gegen einen harten Gegenstand, der zu einem explosionsartigen Zerbersten mit Scherben- und Splitterflug führt, kein sozialübliches Verhalten dar, das für den Hersteller vorhersehbar sein müsste. Überdies ist vom Benützer ein besonders sorgfältiger Umgang zu erwarten, da eine Sektflasche bekanntlich unter hohem Druck steht („Korkenknallen“).
Letztlich wies der OGH darauf hin, dass mit dem Warnhinweis „Glasflasche steht unter Druck – kann bei Gewaltanwendung bersten (Splitterflug), nicht stoßen!“, welcher sich am Etikett auf der Rückseite der gegenständlichen Flasche befand, sogar explizit vor dem Risiko gewarnt wurde, welches sich im vorliegenden Fall verwirklichte.